„Refugees welcome!“ in Größe S: Veranstaltungs-Kaperung bei der SPD

Bei der Verleihung des „Gustav-Heinemann-Preises“ mussten sich Sigmar Gabriel und die SPD am 22.6.2015 kritische Worte zur Verschärfung des Asylrechtes vorhalten lassen. Ein Basishoppel kaperte mit einer couragierten und lustigen Aktion die Bühne.

10.000 Euro fürs NDC
Die SPD verleiht jedes Jahr den mit 10.000 Euro dotierten „Gustav-Heinemann-Preis-für-Zivilcourage“. „2015 wurde das „Netzwerk für Demokratie und Courage“ (NDC) ausgezeichnet. Der Verein veranstaltet Präventions-Projekttage mit Jugendlichen zu Thema „Rechtsextremismus“. Der Verein ist inhaltlich absolut brav-demokratisch, an der Basis allerdings recht bunt (Kritik am NDC siehe u.a. hier ).

Basishoppel kapert Bühne
Bei der Preisverleihung am 22.6.2015 kaperte ein Basishoppel mit einer couragierten Aktion die Bühne. Sigmar Gabriel und seine GenossInnen mussten sich ihre Rolle bei der Verschärfung der Asylgesetze vorhalten lassen. So überreichte einer der ehrenamtlichen Teamer ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Refugees Welcome“ an Henning Scherf und Sigmar Gabriel. Dieses T-shirt war absichtlich in Größe „S“ und sowohl für den 2-Meter großen Scherf als auch für den daneben sitzenden Gabriel offensichtlich zu kurz. Beide lachten, Gabriel rief der Teamer müsse sich wen anders suchen.

T-Shirt mit symbolischer Bedeutung
Doch die Größe des Refugee Welcome T-Shirts hatte eine symbolische Bedeutung und war kein Zufall. Es sollte ein Zeichen sein, „weil Gerechtigkeit und Solidarität ja oft regelmäßig zu kurz kommen“, erklärte der Teamer des Netzwerkes und übergab das T-Shirt. Nachdem sich der Vorstand des NDCs, Ralf Hron (DGB) und Daniela Kolbe (SPD) bei der SPD bedankten, machte eine weitere Trainerin des NDCs auf den Widerspruch aufmerksam. Auch wenn antirassistische Initiativen unterstütz werden, so „wird aber leider eine Migrations- und Flühtlingspolitik verfolgt, die dem Ziel des Abbaus von Diskriminierung nicht immer förderlich ist.“
https://linksunten.indymedia.org/de/node/146301

Hut ab!
Aus der Aktion lässt sich viel über Kommunikationsguerilla lernen. Zum einen: Hut ab. Die Eierstöcke muss man erst mal haben, sich da hinzustellen, und den Knalltüten die Meinung zu geigen. Viele stellen sich das einfacher vor, als es ist. Bei solchen Veranstaltungen wirken auf die Akteure enorme Zwänge durch die kulturelle Grammatik. Sich all dem zu widersetzen, ist nicht einfach.

Schnelle Pressearbeit notwendig
Darüber hinaus zeigt sich, dass solche Aktionen über das konkrete Raum-Zeit-Kontinuum, im dem sie stattfinden, verlängert werden müssen. Konkret zeigt sich, dass die Öffentlichkeitsarbeit auf Indymedia nicht ausreicht, um die Deutungshoheit der sozialdemokratischen PR über die Abläufe zu brechen.

Höher, schneller, weiter!
Und zu guter Letzt: Die Aktion ist einfach nicht krass genug. Im Video ist noch zu hören, wie Sigmar Gabriel einfach schlagfertig kontert. Und Henning Scherf, Vorsitzender des Bürgerpreis-Kuratoriums (SPD), begrüßt die KritikerInnen: „Sie sind das Beste, was wir haben: Junge Leute, die sich für andere einsetzen.“ Man solle nicht darauf warten, dass „der Sigmar was macht“, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen.“ (Quelle: Vorwärts).

Demokratische Re-Integration
Und auch die NDC-Wichtigmenschen, die zuerst die Reaktion des Publikums nicht vorhersehen können, und denen das Unbehagen bei der Aktion anhand ihrer Gestik, Mimik und Körpersprache deutlich anzusehen ist, bauen im Nachhinein die Aktion affirmativ in die Erzählung über das Ach-so-pluralistische Netzwerk ein, und tuen so, als seine sie schon immer dafür gewesen (Antwort zur letzten Frage in diesem Interview von Radio Dreiecksland). Und so verkommt die Aktion leider zur Folklore der sozialdemokratischen Selbstbeweihräucherung.

Mehr Infos:

Indymedia-Text zur Aktion:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/146301

Link zum Aktionsvideo auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=xpwFvBhlK-w

Pressespiegel zur Preisverleihung (runter scrollen):
http://www.netzwerk-courage.de/web/index-2090.html

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